Ist Krav Maga für realistische Selbstverteidigung geeignet? Leider oft nein!

Ist Krav Maga wirklich für realistische Selbstverteidigung geegnet?

Kommerzielles Krav Maga hat sich weit verbreitet und ist aufgrund seiner Zugänglichkeit und seines Marketings sehr beliebt geworden. Jedoch ist meiner Meinung nach durch die Kommerzialisierung des Systems dessen Essenz verloren gegangen. Unter dem glänzenden Mantel der Popularität und der Vermarktung verbirgt sich eine unbequeme Wahrheit: Die Kommerzialisierung hat das System von seinen Wurzeln entfremdet, seine Essenz verdünnt und es in etwas verwandelt, das oft mehr Schein als Sein ist. In Stellenanzeigen werden Trainer gesucht, die nicht einmal eine Qualifikation haben müssen, da das Versprechen gegeben wird, dass sie von der Schule ausgebildet werden. Wie soll jemand ein Trainer sein, der die gezeigten Techniken selbst erst vor Kurzem gelehrt bekommen hat? Wie soll er Fehler des Schülers erkennen? Etwas gezeigt zu bekommen oder etwas zu können, sind zwei völlig verschiedene Dinge.

Bei manchen Anbietern werden Trainerlizenzen online vergeben, wenn der Schüler über 100 Techniken, die online vorgegeben werden, zur Zufriedenheit des Anbieters ebenfalls in Videoform zurückschickt. In diesen Onlineschulungen gibt es keinerlei tiefgreifende Erläuterungen zum Verständnis, warum und weshalb diese und jene Technik anzuwenden ist. Es werden Technikvorgaben gegeben für Situationen, die niemals in der Realität passieren werden. Die Abläufe der einfachsten Bedrohungen haben oft geforderte Reaktionen von mehreren Techniken als Antwort. Nein, liebe Anbieter, das ist keine Ausbildung, um sich dann Krav Maga Basic Instructor zu nennen. Das ist Bullshit.

Warum wir das wissen? Weil wir vor einiger Zeit einen Test gemacht haben und uns zu solch einer „Instructor-Ausbildung“ angemeldet haben. Der Zweck war, Input für ein Videoprojekt zu bekommen, in welchem es darum geht, Kommerzielle Krav Maga Techniken der Realität gegenüberzustellen. Wir haben uns bewusst laienhaft verhalten, um zu sehen, wie das Geschäft der Onlineschulungen funktioniert. Es war erschreckend, welch ein Unsinn da teilweise gefordert wurde. Kein Absolvent, der am Ende das Zertifikat erhält, wird wirklich ein Trainer sein. Nach der Hälfte haben wir die Online-Geschichte dort abgebrochen, da es einfach sinnfrei war, noch weitere 50 Videos zu erstellen.

Leider scheint aber in vielen Bereichen das moderne kommerzielle Krav Maga-Universum genau so aufgebaut zu sein. Nicht, dass wir uns hier missverstehen. Natürlich gibt es auch Anbieter auf dem Markt, die nicht die ganzen negativen Punkte zeigen, wie in diesem Beitrag genannt. Es ist aber Ihre Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen und nicht auf Werbeversprechen und Marketinggespräche beim Probetraining hereinzufallen, wenn Sie unbedingt Krav Maga trainieren möchten. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl, und Sie werden spüren, was Realismus und was vergeudete Zeit in der Schule Ihres Interesses ist. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie nach dem Probetraining in einem einstudierten Marketinggespräch dazu gedrängt werden sollen, einen 2-Jahresvertrag abzuschließen – gehen Sie lieber wieder. Nachfolgend einige weitere Gründe, kommerzielles Krav Maga entgegen dem Marketing im Kontext realistsicher Selbstverteidigung in Frage zu stellen.

Problematik der Überkomplexität

Die Tendenz, für jedes erdenkliche Szenario eine oder mehere spezifische Techniken anzubieten, kann in realen Bedrohungssituationen kontraproduktiv sein. Unter dem Einfluss der Kampf- oder Fluchtreaktion des Körpers neigen Menschen dazu, auf einfache und instinktive Handlungen zurückzugreifen. Das Gehirn ist unter akutem Stress nicht in der Lage, aus einem umfangreichen Repertoire die optimale Technik auszuwählen. Dies kann dazu führen, dass erlernte Techniken nicht abgerufen werden können, wenn sie am dringendsten benötigt werden.

Es ist fahrlässig, Kunden in einer falschen Sicherheit zu wiegen, indem man sie glauben lässt, dass die Vielzahl der gelernten Techniken sie in jeder Situation schützen kann. In Wirklichkeit sind es oft die einfachsten Techniken, die unter Stress zuverlässig funktionieren. Ein effektives Selbstverteidigungstraining sollte auf diese grundlegenden Techniken fokussieren und sie perfektionieren, anstatt die Praktizierenden mit einer endlosen Reihe neuer Techniken zu überfordern.

Realitätsferne und Anwendbarkeit

Die Realitätsferne vieler im kommerziellen Krav Maga geübter Szenarien trägt zu einer Diskrepanz zwischen Training und tatsächlicher Anwendbarkeit bei. Während in einer kontrollierten Trainingsumgebung nahezu jede Technik funktionieren kann, sind echte Konfliktsituationen unvorhersehbar und chaotisch. Die Fähigkeit, unter solchen Bedingungen effektiv zu reagieren, hängt weniger von der Anzahl der beherrschten Techniken ab als vielmehr von der Fähigkeit, grundlegende Prinzipien anzuwenden und sich an die Dynamik des Moments anzupassen. Die Schaffung einer falschen Sicherheit bei den Praktizierenden ist vielleicht das bedenklichste Resultat dieses kommerziellen Ansatzes. Indem man den Schülern vorgaukelt, sie seien auf alle erdenklichen Szenarien vorbereitet, setzt man sie unbewusst einem größeren Risiko aus. Die wertvolle Zeit, die darauf verwendet wird, sich an eine Flut von Techniken zu erinnern, könnte in einer realen Bedrohungssituation den Unterschied zwischen Handeln und Zögern bedeuten.

Kampf- oder Fluchtreaktion

In der realen Konfrontation wird die Reaktion des Körpers auf Bedrohungen durch die Kampf- oder Fluchtreaktion bestimmt. Diese urtümliche Reaktion aktiviert instinktive und grobmotorische Fähigkeiten, während feinmotorische Fähigkeiten und komplexe Entscheidungsprozesse beeinträchtigt werden. Ein Training, das nicht auf diese physiologische Realität eingeht und stattdessen auf komplexe Techniken setzt, wo der Trainingspartner teiweise sogar abwartend stehen bleibt, bereitet Praktizierende nicht angemessen auf die tatsächlichen Herausforderungen einer Konfrontation vor.

Kommerzielles Krav Maga vs. Combatives

Ein wichtiger Unterschied zwischen kommerziellem Krav Maga und Combatives liegt in der Art und Weise, wie diese Systeme von Anbietern gelehrt und praktiziert werden. Während viele Krav Maga-Ableger im Laufe der Zeit kommerzialisiert wurden und sich möglicherweise von ihren ursprünglichen Intentionen entfernt haben, konzentriert sich das Combatives-Training auf eine realistische, stressbasierte Vorbereitung. Dies beinhaltet ein rigoroses physisches Training, das darauf ausgerichtet ist, unter hohem Stress und in unvorhersehbaren Situationen funktional zu bleiben. Die Philosophie hinter Combatives legt Wert auf Einfachheit, Direktheit und die Anpassungsfähigkeit an verschiedene Gewaltszenarien, um eine umfassende Vorbereitung zu gewährleisten, die sowohl körperliche Techniken als auch mentale und emotionale Vorbereitung umfasst.

Der Schwerpunkt bei Combatives liegt auf einer begrenzten Anzahl bewährter Techniken, die darauf ausgelegt sind, unter Stress zuverlässig zu funktionieren. Dieser Ansatz entspricht der Erkenntnis, dass in gefährlichen Situationen einfache, grobmotorische Aktionen eher abrufbar sind als komplexe, feinmotorische Bewegungen. Das Ziel ist es, Techniken zu verinnerlichen, sodass sie instinktiv und ohne Zögern angewendet werden können.

Ein wesentliches Merkmal von Combatives ist das Engagement für realistisches Training. Dies bedeutet nicht nur die physische Nachbildung von Angriffsszenarien, sondern auch die Einbeziehung von Stressfaktoren, die in echten Konfliktsituationen auftreten. Durch Training unter Bedingungen, die echtem Adrenalin, Angst und Verwirrung nahekommen, werden Praktizierende nicht nur körperlich, sondern auch mental auf reale Auseinandersetzungen vorbereitet. Sie entwickeln eine mentale Härte und eine Bereitschaft, die entscheidend für die Überwindung von Bedrohungen sind.

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