Notwehr: Selbstverteidigung oder Rechtsbruch

Notwehr vor Gericht

Das Recht zur Selbstverteidigung ist ein grundlegendes menschliches Recht und im deutschen Rechtssystem fest verankert. Doch wann handelt es sich tatsächlich um Notwehr? Und wann überschreitet man die Grenzen des Erlaubten? Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Unterscheidungen im Bereich der Notwehr sind komplex und können in bestimmten Situationen verwirrend sein. In diesem Artikel biete ich, basierend auf meiner Interpretation und Meinung, einen kleinen Überblick über die verschiedenen Aspekte der Notwehr nach dem deutschen Strafgesetzbuch, die den Bereich der Notwehr im Kontext von Selbstverteidigung betreffen können.

1. Grundverständnis der Notwehr

Laut § 32 StGB liegt Notwehr vor, wenn eine Handlung erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Das bedeutet, dass jeder das Recht hat, sich gegen einen rechtswidrigen Angriff zu verteidigen.

Beispiele:

  • Ein Passant wird auf dem Weg nach Hause von einem Angreifer mit einem Messer bedroht. Er setzt sich zur Wehr und verletzt den Angreifer dabei.
  • Während einer Auseinandersetzung in einer Bar wird einer Person gedroht und der Angreifer holt zum Schlag aus. Diese wehrt den Angriff ab, indem sie den Angreifer zu Boden wirft.
  • Ein Einbrecher verschafft sich Zugang zu einer Wohnung. Der Bewohner verteidigt sich mit einem Baseballschläger.
  • Ein Autofahrer wird auf einem Parkplatz von mehreren Personen eingekreist und bedroht. Er nutzt Pfefferspray, um sich zu verteidigen.
  • Während eines Spaziergangs wird jemand von einem freilaufenden, aggressiven Hund angegriffen und tritt nach ihm, um den Angriff zu stoppen.

2. Notwehrüberschreitung

Nach § 33 StGB gibt es Situationen, in denen die Selbstverteidigung das Maß der Notwendigkeit überschreitet. Solche Handlungen werden dann nicht mehr als Notwehr gewertet und können strafbar sein.

Beispiele:

  • Ein Dieb wird auf frischer Tat ertappt und flieht. Der Bestohlene holt ihn ein und schlägt ihn mehrfach, obwohl der Dieb keine Gefahr mehr darstellt.
  • Nach einem Streit in einer Kneipe wird eine Person von einem Betrunkenen geohrfeigt. Sie reagiert, indem sie den Angreifer bewusstlos schlägt.
  • Ein Eindringling wird in einem Geschäft entdeckt und flieht. Der Besitzer schießt ihm in den Rücken.
  • Ein Jugendlicher wirft aus Spaß einen Schneeball auf ein Auto. Der Fahrer steigt aus und prügelt den Jugendlichen krankenhausreif.
  • Nach einem Boxkampf geht ein Kämpfer auf seinen bereits am Boden liegenden Gegner los und fügt ihm weitere Verletzungen zu.

3. Putativnotwehr (Irrtümliche Notwehr)

Auch wenn es im StGB keinen eigenen Paragrafen für die Putativnotwehr gibt, handelt es sich um eine anerkannte Rechtsfigur. Die Putativnotwehr bezeichnet eine Situation, in der jemand irrtümlich annimmt, dass er angegriffen wird und sich daraufhin verteidigt. Bei einer Fehleinschätzung kann die Handlung unter Umständen trotzdem als strafbar gewertet werden, je nachdem ob der Irrtum vermeidbar war oder nicht (siehe § 16 StGB – „Fehler über Tatumstände“).

Beispiele:

  • Jemand hört nachts ein Geräusch im Garten und geht davon aus, dass ein Einbrecher da ist. Er greift den vermeintlichen Einbrecher an, doch es stellt sich heraus, dass es nur der Nachbar war, der seinen Ball holen wollte.
  • Bei einer Karnevalsfeier zieht jemand eine Spielzeugpistole. Ein anderer denkt, es sei eine echte Waffe und wehrt sich körperlich.
  • Ein Mann sieht, wie jemand auf ihn zuläuft und hebt dabei den Arm. Der Mann glaubt, er wird angegriffen, und schlägt zu, doch der andere wollte nur auf eine Gefahr im Hintergrund hinweisen.
  • Bei einem nächtlichen Campingausflug sieht jemand im Dunkeln eine Silhouette auf sich zukommen und geht von einem Tier oder einem Angreifer aus. Er greift an, doch es war nur ein Freund, der sich ihm näherte.
  • Ein Autofahrer denkt, ein anderer Fahrer zieht eine Waffe, reagiert panisch und fährt ihn an. Später stellt sich heraus, dass es nur ein Handy war.

4. Nothilfe (Hilfe für andere)

Gemäß § 32 StGB in Verbindung mit § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) kann nicht nur die Verteidigung der eigenen Person als Notwehr gelten, sondern auch die Verteidigung anderer.

Beispiele:

  • Ein Mann sieht, wie eine Frau auf offener Straße angegriffen wird. Er geht dazwischen und verteidigt die Frau, indem er den Angreifer zu Boden bringt.
  • Ein Sicherheitsbeamter bemerkt, wie ein Besucher von einer aggressiven Person bedroht wird. Er greift ein und setzt den Angreifer mit einem Haltegriff außer Gefecht.
  • Ein Jugendlicher bemerkt, wie ein jüngeres Kind von anderen Kindern gemobbt wird. Er tritt dazwischen und drängt die Mobber ab.

5. Überschreitung der Notwehr – Entschuldigender Notstand (§ 35 StGB)

Wenn jemand in einer Notwehrsituation das Maß des Erlaubten überschreitet, kann er sich dennoch auf einen entschuldigenden Notstand berufen. Dabei geht es um Fälle, in denen aufgrund von Furcht, Schreck oder Aufregung über das notwendige Maß hinausgehende Gewalt angewendet wurde.

Beispiele:

  • Ein Mann wird von einem Angreifer mit einem Messer bedroht und in seiner Panik sticht er mehrmals zu, obwohl ein einmaliger Stich den Angreifer bereits außer Gefecht gesetzt hätte.
  • Eine Mutter sieht, wie ihr Kind von einem Hund angegriffen wird. Sie tritt so heftig auf den Hund ein, dass er schwer verletzt wird, obwohl ein einfacher Tritt ihn bereits vertrieben hätte.
  • Ein Besitzer eines Ladens wird von einem Dieb bedroht. In der Aufregung schlägt er mehrfach mit einem Gegenstand zu, obwohl der Dieb bereits am Boden liegt.

Nachbemerkung:

Das Verständnis des Notwehrrechts ist von immenser Bedeutung für alle, die sich mit Selbstverteidigung auseinandersetzen. Es ermöglicht nicht nur physischen Schutz, sondern auch rechtliche Sicherheit in Konfliktsituationen. Die Trainingsmethoden von Urban Defense, basierend auf Combatives, sollen Menschen helfen, sich in realen Situationen effektiv zu verteidigen, jedoch immer im Einklang mit dem Gesetz.

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